Der Untergrund ist meine Heimat!
Österreich: Insel der Seeligen, Mozartkugerl, Schnitzerl und Lippizanerleberkäs – Ein Land der schlechten Klischees.
Österreich ist ein wunderbares Land, aber nur dann, wenn man die geschönten Ecken verlässt. Wenn Orte ihre wahren Gesichter zeigen. Wenn man die Trampelpfade verlässt und tiefer geht- eben in den Untergrund.
Österreich ist dann schön, wenn Lieder über Selbstmorde gesungen werden, wo „FUT“ auf Gründerzeithäusern steht, wo in alten Fabrikhallen auch Menschen am Abstellgleis stehen.
Ich bin leidenschaftlicher Österreicher, nein kein Patriot, der bei der Bundeshymne feuchte Augen bekommt und am Wahlsonntag glücklich das rechteste Eck wählt. Ich bekomme feuchte Augen, wenn ich bei einer Dose Bier im Garten sitze und Lieder von Ernst Molden oder dem Nino aus Wien hör, am besten beide Künstler auf einem Track. Und jetzt kommts: Ich selber bin Rapper. Ja, ich mach Deutschrap und schäme mich nicht dafür. Ich werde jetzt nicht tausende Argumente bringen warum Deutschrap keine Proletenmusik ist. Ich habe aufgehört mich zu rechtfertigen.
Für mich ist Österreich immer schon ein Hip-Hop-Land gewesen. Nirgendwo sonst auf der Welt – und ich habe einige Orte persönlich besucht – liegt der Grind so nah dem geschönten Postkartenmotiv. Nur hier werden die schönsten Lieder übers Sterben und den Rausch gesungen, oder in meinem Fall gerappt.
Ich bin Rapper in Wiener Neustadt, das heißt ich bin DER Rapper in Wiener Neustadt. Das ist keine große Leistung aus Ermangelung Konkurrenz ist das eine sehr einfache Geschichte. Ich bin arbeitslos, friste mein Dasein im Stadtpark zwischen Polizisten und Dealern, zwischen Sandlern und zukünftigen Sandlern, mit einer Dose Bier in der Hand und lasse die Zeit durch meine Finger rinnen. Ja, ich mag dieses Leben und im Moment kann ich’s mir auch noch erlauben. Ich bin jung, also noch. Irgendwann werd auch ich erwachsen werden müssen, aber jetzt noch nicht.
Untergrund heißt nicht, dass man Harry Lime in die Kanalisation folgen muss um verschwiegene Orte oder Geheimtipps der österreichischen Musik zu entdecken. Nein, Untergrund heißt, dass man sinnbildlicher tiefer geht. Wie ein Fotograf den Blick für das nicht offensichtlich Schöne haben muss, sollten wir Menschen lernen die Schönheit auch im Dreck zu sehen, den Dreck den wir selber fabriziert haben, den Dreck in dem wir teilweise leben. Österreich ist Gemeindebau, Wettbüro, Laufhaus und Verzweiflungs-Espresso an der Ecke, Österreich ist dort wo Favoriten auf den Balkan trifft.
Ich bin froh Teil einer Kultur zu sein, die man oft nicht entdeckt, in der aber so manches Stück Kohle darauf wartet zu einem Diamanten gepresst zu werden. Wenn man sich einmal entschlossen hat, sich in den Untergrund zu begeben, gibt es meistens kein zurück und das nicht weil man verschluckt wird, sondern weil man nicht zurück will. Vielleicht bin ich seltsam stolz auf so manche gute, alte Zeit die erst ein paar Jahre zurück liegt, aber ich bin Teil einer Generation, die zwischen den Stühlen sitzt, die Manches noch erlebt hat und Vieles miterlebt. Also, ich mach mir jetzt noch eine Dose auf und reib mir an Tschick an, weil es anders nicht geht, weil es so sein muss. Weil Österreich letztendlich ein Klischee bleibt, nur stellt sich die Frage welches.
Wer aufmerksam ist wird bald erkennen, dass dieses Land eher nasser Asphalt und Abschaum ist, als Schloss Schönbrunn und Grinzing und ehrlich gesagt, ich liebe es. Besoffene Fiakerfahrer, die Verrückten Wiens, versoffene Politiker, kriminelle Subjekte, Peitscherlbuam, Strizzis, Dachinierer, Punk, Hip-Hop, Kleinkunst und der Sonnenaufgang über Wiener Neustadt, wenn die Mistkübler an einem Sonntagmorgen die Kotze vom Kopfpflaster waschen und so manches Räuscherl seinen Weg nach Hause sucht, das ist meine Heimat, meine Heimat, die ich liebe, meine Stadt, mein heißgeliebter Untergrund.