Ein Plädoyer für die Gstettn.
Im urbanen Bereich ist die gute alte Gstettn unabdingbar. Das Stadtbild wäre ohne die verwilderten Bereiche unbebauter Grundstücke unvollständig, abgesehen von der sozialen Funktion, die diese Bereiche haben.
Die Gstettn bot der städtischen Ökologie so manche wichtige Nische.
Für die Jugend, die in Städten aufwächst, bieten diese Flächen oft die einzige Möglichkeit, sich jener elterlichen und gesellschaftlichen Kontrolle zu entziehen, die für das Heranwachsen so wichtig ist.
Hier wurden epische Schlachten geschlagen, Fussballstars von morgen geboren, Imperien errichtet, angewandte Architektur und Tiefbau gelernt und das soziale Auskommen mit „den Anderen“ oft schmerzhaft erprobt. Die ersten Zigaretten, das erste Bier und der erste Kuss wurden hier heimlich geteilt.
Die Gstettn bietet, im Gegensatz zum geplanten Park, Möglichkeiten die Grenzen der Kreativität auszuloten, hier wurden aus dem Nichts und illegal abgelagerten Müll Bereiche gestaltet, die viel mehr bedeuteten als die vorgefertigten und genormten Spielgeräte erwachsener Konstrukteure, die den strengen Sicherheitsnormen entsprechen.
Natürlich kann man argumentieren, dass hier Verletzungsgefahr besteht. Natürlich waren die Ergebnisse der Reibereien mit anderen Gruppen, die denselben Platz für sich beanspruchten, für die Betreffenden nicht immer lustig. Natürlich luden diese Zonen auch „Unerwünschte“, wie Sandler, Junkies und andere Paria der Gesellschaft zum Verweilen ein.
ABER:
Diese autonomen Zonen bedeuteten oft die einzige Freiheit, die ein Heranwachsender im urbanen Bereich zur Verfügung hatte. Persönliche Grenzen kann man nicht lehren, nur erfahren.
Deswegen sind verwilderte und ungestaltete Flächen im urbanen Bereich wichtig und erfüllen essentielle Funktionen – Städteplaner wären gut beraten solche Zonen zuzulassen, um positive Beispiele zu nennen, seien hier die Schmuckerau in Wiener Neustadt, Hafen Albern, die Donauinsel und der grüne Prater bei Wien zu erwähnen.
Nur leider verschwinden diese unter dem ökomonischen Druck, dem generellen Wachstum der Städte und der Zerhüttelung der umliegenden Gebiete im Speckgürtel zugunsten von Wohnprojekten, unsäglicher Reihenhaussiedlungen oder weiterer Büroflächen zunehmens.
Die soziale Funktion muss sich, wie so oft in dieser Gesellschaft, der Wirtschaftlichkeit unterordnen.
Und fehlende Kontrolle der physischen Welt wird heute als bedrohlich empfunden.
Hingegen ein 8-Jähriger, der ohne elterlichen Einspruch gewalttätige Computerspiele spielen darf, dies scheint nicht so schwer zu wiegen, denn schliesslich sind mögliche Folgen unsichtbar und treten erst später zu Tage, idealerweise, wenn er schon das elterliche Haus verlassen hat.
Was wir nicht sehen, das existiert nicht.
Und was kein Geld abwirft ist eine moderne Version der Todsünde.