Gasthof Zur Steirischen Grenze

Published On 2016-06-21 | By Roland | Sweet Spots

Fährt man auf der Bundesstrasse 21 von DEM österreichischen Wallfahrtsort Mariazell in Richtung Osten, so kommt man am Ende des malerischen Halltales in eine Mini-Ortschaft namens „Terz“.
Das Auffälligste hier sind zwei Gasthäuser, das „Gasthaus zur österreichischen Grenze“ und das „Gasthaus zu steirischen Grenze“, zwei alte Gebäude in unterschiedlichen Stadien des Verfalles.

Im Vordergrund "Zur Österreichischen Grenze", im Hintergrund "Zur Steirischen Grenze"

Im Vordergrund „Zur Österreichischen Grenze“, im Hintergrund „Zur Steirischen Grenze“

In Terz muss man sich entscheiden: Sankt Pölten oder Mürzzuschlag. Niederösterreich oder Steiermark.
Ok, „steirische Grenze“, alles klar, aber „österreichische“?
Seit „Fürstenfeld“ von STS wissen wir, dass manch Steirer gewisse Probleme mit der Lebensweise anderer Bundesländer haben mag, aber dass es so schlimm ist…?

Die Frage klärt sich sehr schnell, wenn man sich ein wenig mit der Geschichte Österreichs auseinandersetzt.
Im Jahre 1180 wurde der Herrschaftsbereich bayrisch-fränkischer Markgrafen zum Herzogtum erhoben, benannt nach der Burg Steyr im heutigen Oberösterreich. Die Steiermark war damals deutlich größer, bis ins Spätmittelalter gehörten Teile des heutigen Ober- und Nierderösterreich dazu, im Süden reichte das Herzogtum bis 1918 weit nach Slowenien hinein.
1192 wurde die Steiermark den Babenbergern vererbt.

1282 wurden die schweizer Habsburger die neuen Landesfürsten von Österreich und der Steiermark und behielten diese Stellung bis 1918. Bis 1500 erwarben sie weitere Ländereien: Kärnten, Tirol, Teile Sloweniens und einen Teil des italienischen Friauls. Im 16. Jahrhundert waren die Habsburger auch Herrscher Ungarns, Kroatiens und Böhmens.
Graz war zweimal Hauptstadt der Ländergruppe Innerösterreichs (das sind die Ländereien südlich des Semmerings: Stiermark, Kärnten, Krain, Istrien, Görz, Gradisca und Triest) und zweimal sogar Kaiserresidenz.
Unter der Herrschaft von Maria Theresia und ihrem Sohn Jospeh II. wurde die Regierung Innerösterreichs im Zuge einer grossen Verwaltungreform durch staatliche Landesbehörden ersetzt.
Die Steiermark wurde Ende des 18. Jahrhunderts zu einer der vielen Provinzen Österreichs.

Ansichtskarte, um 1900

Ansichtskarte, um 1900

Die Bezeichnung der Gasthäuser verwundert somit keineswegs, nun drängt sich dem inneren Auge förmlich ein kleiner Grenzposten mit Schlagbaum auf, eine Wirtschaft hüben und eine drüben.
Der Begriff „wir fahren ins Österreichische“ hielt sich in der Lokalbevölkerung bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts.

Ansichtskarte, um 1900

Ansichtskarte, um 1900

Wie so oft stolpert man in Österreich über Geschichte und wenn Augen und Geist offen sind, ergeben sich natürlich viele Analogien zur heutigen Zeit:
auch damals, bei der Eingliederung der Steiermark als Bundesland Österreichs werden viele Menschen gezetert und geschrien haben, sie werden um Identität gebangt haben und im Nationalstolz gekränkt gewesen sein, unkontrollierte Zuwanderung wird die Wirtschaft zusammenbrechen lassen, so werden die nationalistischen Propheten des Untergangs gerufen haben!

Doch was ist heute?
Eben – die Grenze ist eine Fußnote der Geschichte und die Bezeichnung der Gasthäuser ist gerade dem geschichtlich Interessierten – und nun Dir, geschätzte Leserin – bekannt.
Bedeutung hat das schon lang keine mehr, es ist sogar so, dass sich die heutigen Nationalisten dieses einstig eigenständigen Landes rühmen und meinen, dass willkürlich gesetzte Linien in der Landschaft Identität stiften.
Doch der historische Kontext lehrt die Wichtigkeit und Relevanz dieser Anliegen.

 

 

PS: Das „Gasthaus zur steirischen Grenze“ ist zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Artikels von den Bundesforsten käuflich zu erwerben. Näheres HIER.

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Vater, DJ, Photograph, Grafiker und neuerdings auch Schreiberling für untergrund.city. Goddammit, welch Karriere!

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