Ein Gespräch mit Konstantin Wecker
Manchmal hat man doch noch Glück. Ich weiß, klingt echt unrealistisch. Seit geraumer Zeit quält mich – und ich glaube da geht es einigen in Österreich so – der Politikverdruss. Nachdem wir in diesem Lande soeben eine schwarzblaue Regierung 2.0 erleben, ist das auch nicht verwunderlich. Die ersten Demos, die ich in meinem Leben besuchte, oder an denen ich teilnahm, waren die legendären Donnerstags-Demos rund um die erste Auflage dieser Regierungskonstellation. Ich schrie mir den Hals aus dem Leib, pinkelte vor das Parlament und skandierte manch derbe, selbstverständlich linke, Zote. Ich war felsenfest davon überzeugt etwas ändern zu können.
Nach mehreren Anläufen und Wiederwahlen, waren wir dann diese unglückliche Farbmischung endlich los, mit einem gehörigen, bleibendem Schaden: Eurofighter, Hypo und Co.!
Irgendwann hatte ich es dann satt ständig zu argumentieren, zu demonstrieren, zu informieren und das konstruktive Streitgespräch zu suchen. Irgendwann wurde das alles zu einem „Lass-mich-bitte-einfach-in-Ruhe.“
Ein Gespräch und ein Konzert
Es tut gut, wenn man bestärkt wird. Es ist einfach schön, wenn man verstanden wird, oder zumindest das Gefühl hat, dass es so ist. Ich durfte vor kurzem so einen Moment erleben. Der Augenblick ging verdammt schnell vorüber, doch ich bin zutiefst dankbar, dass ich ihn erleben durfte. Es fühlt sich gut an, wenn man einem Menschen gegenüber sitzt, der Ansichten und Gedanken mit einem teilt.
Es ist ein Montag, die Sonne lacht und ich betrete das Freibad meiner Wahl. Vor dem Restaurant sind heute zahlreiche Bänke, Tische und Stühle aufgebaut, sowie eine überdachte Bühne. Das Bad aus der Kaiserzeit empfängt heute internationalen Besuch. Konstantin Wecker gibt dem Thermalbad in Bad Fischau die Ehre.
Mein Untergrund.City Partner Roland und ich treffen uns am Eingang. Wir müssen erst mal Eine rauchen, wir sind Zusammentreffen dieser Art nicht gewöhnt und auch etwas nervös.
Wir werden sehr herzlich empfangen, ich erfahre, dass wir sogar auf die Gästeliste gesetzt wurden und, dass mein Platz gleich in der ersten Reihe ist. Nach einer halben Stunde, trifft Herr Wecker ein. Es werden Hände geschüttelt und der weitere Ablauf besprochen.
Drei Campingsessel und ein Aschenbecher
Wir setzen uns etwas abseits vor die Badekabinen. Auf dem Boden steht ein Aschenbecher. Wie Helmut Qualtinger einst sagte, kann sonst keine Unterhaltung zu Stande kommen. Ich frage Konstantin Wecker nach seinem Empfinden der Atmosphäre: „Es ist ein wunderschöner, ja beinah verwunschener Ort.“
Das ist es allerdings. Das Bad aus der Kaiserzeit gibt einem immer das Gefühl, dass die Zeit still steht, nicht vergeht, dass jeden Moment der Kaiser persönlich aus einer Kabine tritt. Wie muss es sich anfühlen, hier zu spielen, in einem Freibad. „Tatsächlich ist das mein erster Auftritt in einem Bad. Ich habe bereits an diversen Seen gespielt, aber noch nie in einem Freibad. Es ist also heute eine Premiere!“, meint Wecker, der in dem blauen Campingsessel sehr zufrieden wirkt. Ich bin fasziniert von seinen wachen Augen und dem leicht stechenden Blick, der sein Gegenüber fixiert. Der Blick bewertet nie, er studiert lediglich.
Die unvermeidliche Frage
Zugegeben, ich bin leicht nervös. Ich war immer schon ein großer Wecker-Fan. Nicht nur von seiner Musik, sondern eben auch von seinem unermüdlichen Einsatz für die aktive Friedensbewegung. Jetzt sitze ich Ihm gegenüber und irgendwie fühle ich mich, als hätte ich die Generation meines Vaters verraten. Ich weiche den Blicken des Künstlers aus und stelle, die unvermeidliche Frage: „Wie fühlt es sich für Sie an jetzt in Österreich aufzutreten, mit dieser neuen Regierungskonstellation?“
Jetzt weicht auch sein Blick dem meinem aus. Sein Blick richtet sich zur Seite und über das Bad. Wecker atmet tief ein und antwortet mir sehr direkt: „Als ich auf dem Donauinselfest gespielt habe, kam mir schon der Gedanke, wer sich aller im Publikum befinden könnte. Ich glaube allerdings nicht, dass irgendein „Identitärer“ darunter war. In der Regel meiden die meine Konzerte! Ich habe unlängst einen Brief erhalten, indem ich ermahnt wurde doch einfach meine Lieder zum Besten zu geben und meine politische Meinung für mich zu behalten. Das ist tatsächlich neu. Noch vor drei Jahren hätte ich mir das nicht gedacht, was jetzt Realität wurde, in Deutschland mit der AfD und in Österreich mit der FPÖ. Ich finde diese Entwicklung erschreckend. Und ganz ehrlich, ich habe Angst, wenn ich in die Zukunft blicke. Ich wurde oft gefragt, was Musik und Poesie bewirken kann. Heute weiß ich: Poesie ist Widerstand, weil Sie Gefühle vermittelt. Darum wird auch die Freiheit der Kunst in autoritären Regimen immer als erstes beschnitten, weil sie in Wahrheit gefürchtet wird. Despoten fürchten, was Sie nicht verstehen.“
Mehr gibt es nicht zu sagen
Wir sitzen beide auf der Galerie, vor den Kabinen des Bades und blicken über die Szenerie. Menschen in Badehosen und Bikini, neben Besuchern in Sakko und Sommerkleid. Das Wasser plätschert. Kinder spielen. Badbesucher verlassen es wieder, Konzertbesucher kommen. Weckers Hand liegt auf der Lehne des Sessels. Eine Pause entsteht, sie dauert in Wahrheit wohl nur ein paar Sekunden, doch für mich fühlt es sich an wie eine Ewigkeit.
Ich weiß, ich sollte mein Interview fort führen, denn schließlich, habe ich tausend fragen, doch in diesem Moment scheint alles gesagt. Mir gegenüber sitzt ein Mann, der in meinen Augen seinen Frieden mit sich gemacht hat, der weiß, was uns droht, was auf uns zukommt. Er wird es wahrscheinlich nicht mehr erleben, wenn der Schrecken wiederkehrt, doch er wird seinen Teil dazu beitragen, dass es nicht so weit kommt, im Wissen, wenn es zu Ende geht, dass er alles versucht hat.
Am Ende reichen wir uns die Hände und ich bitte nach dem klassischen Fan-Foto. In diesem Moment weiß ich, dass es ein wunderbares Konzert wird. Ich kann es spüren. Konstantin Wecker nimmt die Treppe hinunter und ich blicke wieder auf das Wasser. Ich brauche eine Zigarette.
Während ich noch dasitze und wie ein Idiot auf die Wasseroberfläche glotze, fallen mir die Worte eines Mannes ein, der sicherlich mehr im Kopf hatte als ich: „Dreier Dinge bin ich mir bewusst. Dass ich geboren wurde, dass ich sterbe und dass ich meinen Mund nicht halten werde!“
Jetzt muss ich lächeln, denn ich spüre wie ein totgeglaubter innerer Widerstand zurückkehrt und das stimmt mich doch sehr glücklich.