Keep it real – „Nichts anderes, als verlogene Kiddies!“

Published On 2015-09-28 | By Klaus | B-Seiten, Trash-Talk, Untergrund

Für mich war Hip-Hop immer Ausbrechen. Ausbrechen aus der Scheiße in meinem Leben. Mir ist bewusst, dass viele Leute Probleme haben, viele Leute haben Schlimmeres als ich erlebt, doch das ist alles egal. Wenn ein Beat im Hintergrund lief und ich ein Mikro in der Hand hatte, durfte ich ein Anderer sein. Mehr hab ich nicht verlangt. Ein paar Minuten in denen ich sein konnte, wer ich sein wollte. An Tagen an denen nichts zu tun war, saß ich im Park und hat hab geschrieben und hab nebenbei Wörterbücher gewälzt um meinen Wortschatz zu erweitern. Rap hatte ganz schnell einen riesigen Stellenwert in meinem Leben bekommen.

Ich weiß, dass das eigentlich ein Klischee ist, aber ein Klischee, das als ich zu rappen anfing, tatsächlich noch zutraf. Als ich 14war, saßen  meine Freunde und ich tatsächlich so im Park, wir haben uns immer gegenseitig motiviert um noch bessere Texte zu schreiben. Und ehrlich gesagt ich war nie vorne dabei. 15 Jahre später bin ich der letzte aus unserer vertrauten Textrunde, der noch manchmal im Park an zu treffen ist.

Die die noch Musik machen feiern sich selbst in irgendwelchen Foren oder Social-Media-Plattformen, hassen alles was sie nicht selbst produziert haben, oder hören irgendwann selber auch noch auf und verschwinden aus dem Untergrund in die Versenkung und dann ins Vergessen.

Genau auf diesem Scheideweg steh ich gerade. Zugegeben, auch ich feier mich selbst, in der Hinsicht, dass ich meine Songs wirklich mag und der Meinung bin, ich bräuchte mich damit nicht verstecken. Ich mach Rap seit 15 Jahren und erst jetzt hab ich es geschafft 16 Songs aufzunehmen. Ja, liebe Leute, ich will ein Album raus bringen. Hauptberuflich bin ich freiberuflicher Journalist, was in Österreich eigentlich arbeitslos bedeutet. Ich verbringe meine Tage genau wie damals, als ich 14 war. Ich sitze im Park und schreib meine Tracks, trinke dabei die eine oder andere Dose Bier und rauch eine Tschick nach der anderen. Im Moment hab ich definitiv mehr Zeit als Geld. Genau das ist das Problem.

Wenn ich auftrete klopfen mir die Leute anschließend auf die Schulter, bieten mir Zigaretten an oder wollen mich auf ein Bier einladen. Das ist total lieb von Ihnen, nichts ist wichtiger als den Zuspruch vom Publikum zu bekommen, denn letztendlich tun wir das alles nur um uns Gehör zu verschaffen. Wenn ich aber auf meinen Hip-Hop-Parties zwei Euro für den Eintritt verlangt habe, waren nur die Hälfte der Leute da die sonst kamen und Die die da waren fragten warum sie an diesem Tag zu bezahlen hatten. Das ganze geht noch weiter. Ich habe den Satz – „Nimm doch endlich mal ein Album auf! Ich schwöre ich würds rauf und runter hören!“ – so oft gehört, dass ich es nicht mehr zählen kann. Als sich dann meine ersten Mixtapes am Start hatte und beim Verkauf aus dem Kofferraum, nach den Parties, es gewagt habe 50 Cent dafür zu verlangen habe ich davon nichts verkauft. Ich habe heute noch ganze Kisten voll von alten Tapes bei mir liegen. Cd’s wie tatsächliche Tapes – auch bekannt als MC’s (Kiddies schlagen nach, Wikipedia kann helfen!!) Die Komplimente hab ich nach wie vor bekommen, hab ich Leuten meine Sachen gratis angeboten, bekam ich immer gutes Feedback, aber verkauft hab ich bis dato vielleicht 15 Stück.

Sogar seit dem man meine Musik auf Itunes und Amazon kaufen kann bekomme ich regelmäßig Nachrichten von Bekannten und Facebookfreunden, ob ich Ihnen das Zeug gratis checken kann. Und aktuell ging es um EINEN Song, der gerade mal einen Euro kostet!!! Wenn meine eigenen Bekannten nicht mal bereit sind zu bezahlen, wie sollte ich dann annehmen, dass irgendwer es bezahlt? Schließlich ist das ja ein Produkt das in Eigenregie gemacht wurde und kein Becher Kaffee einer gewissenlosen, mafiaartigen Firma, die für Kaffee, der in der Produktion vielleicht 2 Cent kostet, dann im Verkauf fünf Euro dafür verlangt. Ich hab kein Problem mit Leuten, die sich Ihre Musik illegal downloaden, wirklich nicht, auch wenn ich in meinem ganzen Leben vielleicht drei Alben NICHT gekauft habe.

Hier ein kleines Beispiel wie die Musikproduktion bei mir läuft, damit man sich ein Bild machen kann wie viel Arbeit dahinter steckt. Ich habe seit über 10 Jahren den selben Produzenten, der setzt sich in seiner Freizeit hin und wenn ihn die Muse küsst, bastelt er an einem Instrumental, das dauert Tage. Zeit die er auch mit seiner Familie verbringen könnte. In dieser ganzen Zeit sitzt er am Computer in einem stillen Kämmerchen und der Stromzähler läuft. Ich sitze irgendwann bei ihm rauch mir eine an und entscheide mich für ebendieses Instrumental. Ich brenne mir das auf einen Rohling und setze mich auf Oldschool in den Park, verzwitscher eine Dose Bier und irgendwann fang ich zu schreiben an. Ja, manchmal dauert das ein paar Minuten, allerdings auch mal ein paar Tage bis ich zufrieden bin. Sobald mein Text fertig ist, fahr ich wieder zu meinem Produzenten, der sich in mühevoller Kleinarbeit – und alles auf eigene Kosten und da reden wir von tausenden Euros – ein Studio aufgebaut hat, das eher weniger an Abbey Road erinnert. Dort stelle ich mich dann mehrere Stunden in ein ebenfalls kleines Kammerl und nehm meine Lyrics auf, dannach wird gemischt, nochmal durchgehört, wieder gemischt, arrangiert und irgendwann geht es dann ans Mastering und da wird’s knifflig. Denn Mastering sorgt dafür, dass die Tracks ordentlich „Bumbum“ bekommen und sich in den Boxen auch so anhören, wie das Zeug, dass die Radios so spielen. Da die Gerätschaften für diesen Teil sehr teuer sind lässt man das eher außerhalb machen. Auch wenn es der eine oder andere von Euch weiß, man zahlt da schon mal für einen Song 60 bis 100 Euro. Wenn ich jetzt Strom Arbeitszeit und Kosten für Mastering sowie Benzingeld dazu rechne, kann ich sagen, dass ein Song wohl ziemlich teuer ist und selbst wenn man „billig“ rechnet ist man bei über 200 Euro. Manche Leute sehen wohl nicht ein warum ich einen kleinen Teil – denn kostendeckend ist es sicher nie – zurückbekommen sollte. Ich liebe Musik, ich werde nicht müde weiterzumachen, aber ich werde sicherlich müder.

Im Moment habe ich ein fertiges Album von mir im Hintergrund laufen und ich werde es tatsächlich bald releasen, zumindest wenn ich das Geld für das Mastering auftreibe. Denn bei 16 Songs geht das schon echt ins Geld. Das alles mache ich in der Hoffnung es vielleicht endlich zu schaffen, zu schaffen, dass mehr als 20 Leute meine Musik genauso feiern wie ich. Ich nehme das alles auf mich im Wissen, dass ich fast 30 bin und die Aktuelle Deutschrapszene bis auf ein paar „alte Hasen“ deutlich jünger ist“.

Im Hip Hop gibt es den berühmten Satz „Keep it real!“ Ich sag euch ehrlich, es ist verdammt schwer es real zu keepen, denn wer wirklich so Straße ist wie er behauptet kann sich das nie und nimmer leisten. Allein deshalb bin ich der Meinung, dass die ganzen Kiddies die ihre Videos auf Youtube raus prügeln entweder am Wochenende Koks verkaufen oder, was wahrscheinlicher ist, Eltern haben, die sie unterstützen.

Mittlerweile geh ich davon aus, dass wohl niemand auch nur ein bisschen Wind von meiner Musik kriegen wird. Irgendwann werde ich verknöchert und angefressen Kritiken zu Platten schreiben, die grottenschlecht sind und besuche den Friedhof der Namenlosen Künstler und meine eigene Grabstelle, wo auf einen Stein „Zeit die ich sinnvoller hätte nutzen können“ geschrieben steht, ist auch schon ausgehoben. Im Augenblick stehe vor der Entscheidung entweder mein Auto reparieren zu lassen oder ob ich mein Album raus bringe. Dumm wie ich bin, werde ich mich wohl fürs Album entscheiden, denn wenn ich ehrlich bin, lebt in mir immer noch ein Teil des 14 jährigen Typen, der auf einer Parkbank sitzt und davon träumt einmal ein professioneller Musiker zu werden. Solltet ihr mich suchen, ich bin irgendwo da draußen, weil ich es der Kultur schuldig bin, der ich einst die Treue schwor, ich bin da draußen wo Hip-Hop ist, dort wo er immer war: auf der Straße. Ich ziehe mir den Hoodie über den Kopf, denn es ist kalt geworden, ich höre Ferris MC in den Kopfhörern mit der Zeile: „…aber dann nehm ich mein Mikrofon in die Hand. Das ist alles was ich habe, alles was ich kann….“, dämpfe meine Zigarette am Boden aus und verpiss mich. Seien wir ehrlich, wer interessiert sich schon für österreichische Rapper aus dem Untergrund?

Auch wenn das alles sehr theatralisch klingt – wir Musiker sind doch alle ein bisschen Diva – ist das meine Realität. In diesem Sinne: „Keep it real, bitches!!“

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About The Author

Literat, HipHop-Artist, Mentalist, Zauberkünstler mit Affinität zur heimatlichen Kultur. Schaut schonungslos hinter die Fassade des stereotypen Österreichs und findet sogar Gefallen daran.

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